Lohbeck zum Haushalt der Stadt Kirchhain

Herr Stadtverordnetenvorsteher, Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren,
es sind schwierige Zeiten. Vor gut einem Jahr erscheint in China ein kleines Virus auf der Bildfläche und wächst sich rasch zu einer globalen Pandemie aus, die uns bis heute und wohl auch noch eine lange Zeit in Atem hält. Unsere Welt gerät aus den Fugen. Dieses Virus stellt nicht nur eine sehr große Gefahr für Leib und Leben eines jeden Einzelnen von uns dar, sondern hat auch fast unser gesamtes gesellschaftliches Leben lahmgelegt und tiefe wirtschaftliche Bremsspuren hinterlassen. Das gilt weltweit und erreicht natürlich auch uns hier in Kirchhain. Viele Kommunen bekommen das negativ zu spüren.
Aber, und das muss man wirklich positiv anmerken, wir hier in Kirchhain, scheinen bisher einigermaßen ungeschoren davon gekommen zu sein. Den HH2020 schließen wir im Ordentlichen Ergebnis mit einem Plus ab, das deutlich höher ausfallen wird als der Ansatz und der HH2021 weist ein Plus von rund 1,1 Mio. € aus. Dieses unter dem Strich gute Ergebnis ist ausdrücklich zu loben. Das heißt aber leider nicht, dass auch das, was über dem Strich steht, von uns Liberalen positiv bewertet wird. Ganz im Gegenteil.
Herr Bürgermeister, Sie setzen in Ihrem Entwurf für 2021 erneut Prioritäten, die wir so nicht setzen würden und die nicht unsere Zustimmung finden. Ich werde gleich einige der zahlreichen Kritikpunkte benennen, wobei ich mein Hauptaugenmerk, wie bereits angekündigt, auf Ihr Kita-Konzept legen werde, dessen Auswirkungen sich ja an mehreren Punkten im Haushalt niederschlägt wie z.B. Personal, Mieten, Förderungen oder eben Investitionen.
Herr Hausmann, Sie haben im Oktober letzten Jahres dieses Konzept vorgestellt, welches ich dann in der STVV im Dezember (Top: Neubau einer KITA am Hallenbad) heftig kritisiert und abgelehnt habe. In der Begründung der seinerzeitigen Beschlussvorlage schreiben Sie, dass bei der Umsetzung dieses Konzeptes die finanzielle Situation der Stadt Kirchhain in Bezug auf die Realisierung weiterer Großprojekte (Bahnhof + Freibad) zu berücksichtigen seien. Allein diesen Ansatz möchte ich schon hier relativieren. Was das Projekt Bahnhof betrifft, so haben wir es hier erneut mit einer Verschiebung der Baumaßnahmen — wie kann es bei der Bahn auch anders sein– zu tun. Im HH 2021 haben Sie nur 40.000 € vorgesehen, in der mittelfristigen Finanzplanung für 2022 + 23 je 250.000 €, für 2024 350.000 €. Die noch nicht verausgabten Mittel aus 2020 in Höhe von knapp 400 000 € werden übertragen. Damit ist dann unser Anteil am Bahnhof weitestgehend erledigt. Für 2025 bleibt dann noch ein kleiner Rest. Und selbst dieses ganze Maßnahmenpaket, da gehe ich mal ganz gelassen von aus, wird sich sicher nochmal weiter nach hinten verschieben. Wie man da aus finanzieller Sicht noch von einem Großprojekt reden kann, ist mir schleierhaft. Ich möchte an dieser Stelle nur noch mal positiv herausstreichen, dass wir die Forderung, unseren Anteil auf 2 Mio. € zu deckeln, durchsetzen konnten. Stellen Sie sich bitte vor, wir wären auf die Forderung der Bahn nach prozentueller Beteiligung an den Baukosten eingegangen, dann wären wir jetzt arme Leute. Denn die Baukosten werden mittlerweile von der Bahn auf mehr als 12 Mio. € beziffert. Ausgangspunkt waren seinerzeit rund 6,5 Mio. €.
Kommen wir nun zum zweiten Großprojekt, dem Freibad, und das ist finanziell ein wirklich großer Brocken, an dem wir uns hoffentlich nicht verheben und verschlucken werden. 6,0Mill. € soll es kosten, Stand 2019! Wirklich stemmen können wir das nur, so Ihre eigene Aussage, wenn wir alle nur erdenklichen Förderungen generieren können.

Des Weiteren spekulieren Sie auf die Vorsteuerabzugsfähigkeit. Hier reden wir von rund 1 Mill. €. Trotz Anfrage beim zuständigen Finanzamt, ist diese Frage bisher noch nicht geklärt. Und Sie werden auch in Zukunft keine rechtssichere Auskunft dazu erhalten. Und da Finanzämter und die vorgesetzten Dienststellen, sowie die Finanzgerichte auf allen Ebenen, zu mehr als 90% immer pro fiskalisch entscheiden, dass ist statistisch bewiesen, werden Sie in dieser Frage hinten runterfallen. Im Übrigen hätten Sie das Freibad zunächst unter das Dach der Bäder Betriebs gGmbH bringen und dann erst an die Sanierung des Bades denken sollen. Dann hätten Sie das Problem mit der Vorsteuer nicht. Und auch die weiteren Vorteile im Bezug auf Ausschreibungen, Nachverhandlungsmöglichkeiten etc. hätten genutzt werden können.
Von der angekündigten Förderung durch den Bund in Millionen Höhe ist weit und breit noch nichts zu sehen, wie Sie uns kürzlich mitgeteilt haben. Die Angelegenheit befände sich noch in der Abstimmung, und das schon seit etwa März vergangenen Jahres. Das hat schon jetzt dazu geführt, dass Sie einen möglichen Baubeginn schon um 1 Jahr, auf Herbst 2021 verschoben haben. Und ob Sie bis zu diesem Zeitpunkt Ihre Fördergelder in der von Ihnen gewünschten und auch absolut notwendigen Höhe zusammen haben, vage ich stark zu bezweifeln.
Also, diese beiden Projekte als Begründung für ein doch sehr schmalbrüstig ausgefallenes Kita-Konzept herzunehmen, finden wir Liberale gegenüber den Kindern und Ihren Eltern nicht sehr fair! Mir kommt es so vor, dass Sie, weil Sie seit der Alarmmeldung zu Beginn 2019, mehr als fast anderthalb Jahre haben verstreichen lassen bzw. nicht tauglichen Ideen nachgelaufen sind, dieses Konzept mit schneller Nadel gestrickt haben. Was wir eigentlich bräuchten, ist ein grundsolides neues Kita-Gebäude für 4, wenn nicht 5 Gruppen. Die Soforthilfemassnahme Container sollte Ende 2021 wie geplant und zugesagt auslaufen.

Das Mietverhältnis am Steinweg sollte in 2023 auslaufen, weil die doch sehr beengten Räumlichkeiten nicht mehr dem Standard entsprechen. Was kriegen wir jetzt? Die Container-Lösung wird für mindestens 2 Jahre verlängert, der Mietvertrag für den Steinweg wird nicht gekündigt und verlängert sich automatisch um weitere 5 Jahre bis 2028. Und dann der Neubau am Hallenbad in modularer Bauweise für zunächst einmal 2 Gruppen. In 2024 soll dann die Erweiterung für 2 weitere Gruppen erfolgen. Wir sollten zunächst einmal über die Terminologie sprechen, bevor Sie gleich wieder einwenden, dass es keine Container-Lösung sei. In Ihrem HH-Entwurf läuft das ganze Projekt unter dem Titel „Einrichtung einer mobilen Kindertageseinrichtung“. In den diversen Sitzungen des letzten Jahres zu diesem Thema haben Sie den Begriff „modulare Bauweise“ als Synonym für Bauabschnitt verwendet. Und zuletzt, als Sie sich erneut gegen den Begriff Container verwahrt haben, haben Sie angedeutet, dass es sich um Module handelt, die da verbaut werden sollen. Also, was ist das jetzt? Ich gehe mal davon aus, es ist etwas „Richtung Fertighaus“, sonst ist das ja nicht so schnell zu errichten. Auf alle Fälle ist es was Vorgefertigtes. Was bedeutet, dass sich die Kinder und Erzieherinnen nach dem Gebäude richten müssen und nicht das Gebäude nach den Bedürfnissen der Benutzer errichtet wird. So wie wir es seinerzeit bei den Sonnenkindern gemacht haben. Und dafür sollen wir dann mind. 1,4 Mill. € ausgeben.
Skizze zeigen!
Wir haben ja nicht einmal genaue Pläne gesehen, nur diese kleine Grundrissskizze. Wir wissen bis heute nicht, wie das Gebäude aussehen soll, aus welchen Materialien es gebaut wird.

Für jedes Bauvorhaben kriegen wir jede Menge Papier und Pläne und Skizzen vorgelegt, ja sogar von der Toilettenanlage im Annapark hatten wir ein ganzes Paket davon, bevor wir darüber abgestimmt haben. Nur für dieses wichtige Bauvorhaben, da werden uns weitergehende Informationen bisher vorenthalten.
Nein Herr Bürgermeister, dafür heben wir nicht unsere Hand.
Und dann kommt noch die leidige Standortfrage hinzu. Für uns ist und bleibt das Gelände am Hallenbad der wohl schlechteste Standort, den man sich für eine Kita nur vorstellen kann. Nach Norden an die Peripherie gesetzt, wo sich die Stadt mit Sicherheit nicht weiter entwickeln wird, direkt an eine Kreuzung mit sehr viel Verkehr und ganz am Rande erwähnt, die Chlorgasanlage des Hallenbades liegt in direkter Sichtbeziehung rund 40 Meter vom geplanten Neubau entfernt.
Nun, Herr Bürgermeister, und verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD und der Linken, wenn Sie wenigstens über den Standort nochmal nachdenken würden. Wir haben Ihnen einen entsprechenden Vorschlag gemacht. Der Platz gegenüber den Sonnenkindern ist ideal, die Ecke des Freibadgeländes, die frühere Knutschecke des Freibades, wird heutzutage nicht mehr gebraucht. Kein Pärchen schlägt sich heute noch da hoch in die Büsche. Heute bearbeiten sich die Pärchen auf offener Bühne, sprich auf der Liegewiese. Meine Damen und Herren, bitte halten Sie inne und denken nochmal nach. Noch ist Zeit, einen schönen, bedarfsgerechten Kindergarten dort zu bauen. Wir würden ein echtes Kinderzentrum entstehen lassen. Besser geht’s nicht.
Ich möchte mich aber heute nicht nur auf den Kita-Neubau und das Freibadthema fokussieren, sondern aus dem großen Strauß unserer Kritikpunkte wenigstens drei Themen kurz ansprechen, die wir so auf keinen Fall mittragen können.

Der erste Punkt ist die geplante Ausgabe von 75.000 € für einen Grundstücksankauf für ein Feuerwehrgerätehaus in Kleinseelheim.
Herr Bürgermeister,
• Haben Sie dem Parlament schon mal davon berichtet, was Sie da vorhaben?
• Wissen Sie schon, was Sie da bauen wollen?
• Haben Sie uns schon mal konkrete Planungen dazu vorgestellt?
• Haben Sie vielleicht schon ein Gelände im Auge, dass Sie da kaufen wollen?
• Passt das Objekt der Begierde denn dann auch zu Ihren Planungen und Vorstellungen?
• Und haben Sie denn auch schon Vorstellungen dazu, wie Sie ein neues FW-Gerätehaus finanzieren wollen?
Im Haushalt finde ich dazu nichts, auch nicht in der mittelfristigen Finanzplanung, oder habe ich da vielleicht etwas übersehen? Ich glaube eher nicht. Heißt mit anderen Worten, wir sollen diese Ausgabe von 75 Tausend einfach absegnen, ohne zu wissen, was daraus folgen soll.
Meine Damen und Herren, wenn man ein Grundstück kauft oder ein Grundstück mit einem aufstehenden Gebäude, dann will man normalerweise was damit machen und zwar möglichst bald. Neu bauen, umbauen, renovieren. Was auch immer. Auf alle Fälle würde das in den nächsten Jahren ein teures Vergnügen. Nur wir, die Stadtverordneten, die die Gelder dafür bereitstellen sollen, wissen von nichts. Da machen wir von der FDP nicht mit. 75.000 ins Ungewisse und unsere Kinder dürfen dafür 3 weitere Jahre im Container hocken bleiben.

Kommen wir zum nächsten Punkt, gehen wir nach Großseelheim.
Da wollen Sie doch tatsächlich 65.500 € für eine Fenstererneuerung im Bürgerhaus ausgeben und mittelfristig haben Sie weitere 235.000 € eingestellt für weitere Sanierungsmaßnahmen. Für ein Bürgerhaus, dass gerade mal zu etwa 30% ausgelastet ist. Schreiben aber gleich dazu, vorbehaltlich einer Zusage von Fördermitteln. Und rufen einfach mal 300.000 € aus diesen Mitteln auf. Wer hat Ihnen denn die in Aussicht gestellt? Förderanträge zu diesem Komplex sind Ihnen doch schon zweimal abschlägig beschieden worden. Woher soll also jetzt auf einmal das Geld kommen? Wer wird denn für dieses völlig überdimensionierte Bürgerhaus aus den 1960er Jahren noch einen Cent rausrücken wollen? Für uns ist auf alle Fälle klar, jeder Cent für dieses Gebäude ist ein Cent zu viel! Lassen Sie uns stattdessen für Großseelheim mittelfristig ein neues DGH andenken, modern und angemessen groß. Und das kann dann auch gerne in modularer Bauweise errichtet werden, aber nicht unser dringend notwendiger Kita-Neubau.
Zum Schluss meiner Ausführungen gehen wir, ich kann es Ihnen leider nicht ersparen, nach Betziesdorf und da zum Multifunktionalen Haus.
Ich erinnere mich noch genau und Sie vielleicht auch, meine Damen und Herren, was ich Ihnen bei den zahlreichen Debatten zu diesem Thema vorausgesagt habe und was in den emotionalen Gegenreden des Herrn Tourte vehement verneint wurde. Ich habe gesagt, wenn wir das Gebäude übernehmen und dieser sehr guten und unterstützenswerten Initiative zur Verfügung stellen, dann wird das eine teure Angelegenheit, nicht nur für die Sanierung und den Umbau des Gebäudes, sondern auch nachfolgend für die Unterhaltungskosten.

Ich bin sogar ins Detail gegangen, und habe aufgezählt, was es bedeutet, dieses Gebäude barrierefrei zu machen, was ja ein absolutes Muss ist, wenn aus der Alten Schule ein öffentlich genutztes Gebäude werden soll. Nein, hieß es dann, das machen wir schon mit Eigenleistung, kleinem Geld und und und. Und nun? Jetzt kriegen wir die Fakten und die nackten Zahlen auf den Tisch. Wenn man dieses Gebäude nutzen will, dann braucht es eben einen Aufzug, dann braucht es neue Sanitäreinrichtungen, dann muss man viel Geld in die Hand nehmen, fast eine Viertel Millionen. Und das soll jetzt so geschehen, obwohl direkt nebenan das DGH steht, mit bis zu 70% freier Zeitkapazität, mit der nötigen Infrastruktur, weitestgehend barrierefrei. Würde wirklich noch etwas fehlen, dann könnte man das tatsächlich für relativ kleines Geld noch hinzufügen.
Nein, es muss partout die große Lösung her, ein eigenes Gebäude mit mehr als 400 qm Nutzfläche. Und dann noch „Zitat Wahlprogramm SPD“ die Herstellung einer attraktiven Außenfläche zwischen Multifunktionalem Haus und DGH. Das bedeutet nochmal einige Tausend Euro, wenn nicht mehr, obendrauf.
Jetzt werden Sie natürlich sagen: Die Stadt kostet das doch gar nicht viel, wir bekommen doch die Förderung in Höhe von rund 140 Tsd. €.
Sie glauben wohl, dieses Geld ist wie Manna, das vom Himmel fällt. Nein, diese Gelder sind auch unsere Steuergroschen, nur umverteilt, damit dann irgendwelche Minister, Staatssekretäre oder aber auch Landräte diese Gelder medienwirksam und mit gönnerhafter Mine wieder verteilen, als ob es aus ihrem eigenen Portemonnaie käme.
Also, hier werden mal eben eine Viertel Mill. € versenkt und unsere Kinder müssen in beengten Verhältnissen weitere 5 Jahre im Steinweg sitzen.

Unser Fazit: Positiv ist, dass es auch in diesen schwierigen Zeiten gelungen ist, unter dem Strich ein positives ordentliches Endergebnis zu erzielen.
Inhaltlich sind wir mit vielen Dingen nicht einverstanden, schon gar nicht mit Ihrem Kita-Konzept, das unsere Kinder einschränkt, die Eltern vor den Kopf stößt und unsere kreisweite Spitzenposition in der Kinderbetreuung gefährdet.
Für uns Liberale haben Investitionen in Kitas und damit in die Zukunft unserer Kinder ganz eindeutig Vorrang vor anderen Großprojekten im freiwilligen Bereich. Die FDP stimmt dem vorliegenden HH-Entwurf nicht zu.
Zum Schluss möchte ich mich namens meiner Fraktion ganz herzlich bei der gesamten Verwaltung für die gute Zusammenarbeit bedanken. Besonders möchte ich mich aus gegebenen Anlass und auch ganz persönlich bei Herrn Gonder bedanken für die gute Zusammenarbeit in den letzten 15 Jahren. Wir haben manches Mal kontrovers gestritten, ich denke da z.B. an die Diskussionen zur Einführung der Leistungsentgelte. Sie waren immer ein guter Sachwalter der Kirchhainer Finanzen, selbst in den schwierigen Zeiten der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 oder in den Zeiten des Schutzschirms. Für Ihren nächsten Lebensabschnitt wünsche ich Ihnen alles Erdenklich Gute.